Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

 

 

(2) Bestimmungsarzneimittel/Präsentationsarzneimittel

§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG

Arzneimittel sind Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die zur Anwendung im oder am menschlichen oder tierischen Körper bestimmt sind und als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher oder tierischer Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt sind.

BVerwG, Urt. v. 17.9.2021, 3 V 20.20, Tz. 20 ff

Unter den Begriff des Präsentationsarzneimittels im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG und Art. 1 Nr. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/83/EG fallen Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die zur Anwendung im oder am menschlichen Körper bestimmt sind und als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt sind. Ein Erzeugnis erfüllt diese Voraussetzungen, wenn es entweder ausdrücklich als ein solches Mittel bezeichnet oder empfohlen wird oder aber sonst bei einem durchschnittlich informierten Adressaten auch nur schlüssig, aber mit Gewissheit der Eindruck entsteht, dass es in Anbetracht seiner Aufmachung die betreffenden Eigenschaften haben müsse. Das ist anhand einer Gesamtbetrachtung der konkreten Merkmale des Produkts und seiner Präsentation zu bestimmen.

Der Begriff der "Bestimmung" bzw. "Bezeichnung" ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union weit auszulegen. Die Kategorie des Präsentationsarzneimittels soll nicht nur Arzneimittel erfassen, die tatsächlich therapeutische oder medizinische Wirkung haben, sondern auch die Erzeugnisse, die nicht ausreichend wirksam sind oder die nicht die Wirkung haben, die der Verbraucher nach ihrer Bezeichnung von ihnen erwarten darf. Der Präsentationsarzneimittelbegriff zielt somit darauf, den Verbraucher nicht nur vor schädlichen oder giftigen Arzneimitteln zu schützen, sondern auch davor, anstelle eines geeigneten Heilmittels ein ungeeignetes Präparat zu wählen (EuGH, Urt. v. 15.11.2007, C-319/05, Rn. 43).

Maßgebend für die Einstufung eines Erzeugnisses als Präsentationsarzneimittel ist mithin nicht seine tatsächliche Wirkungsweise, sondern seine Bestimmung als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung, Linderung oder Verhütung menschlicher Krankheiten oder krankhafter Beschwerden. Für die Bewertung der "Präsentation" eines Erzeugnisses ist nicht entscheidend, ob die in Anspruch genommenen Eigenschaften einer anderen Produktkategorie auch tatsächlich vorliegen und belegt werden können. Dies gilt auch für die Pflichtangaben eines vom Hersteller als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke in den Verkehr gebrachten Erzeugnisses. Sofern sich die Angaben auf diese Pflichtangaben beschränken und das Erzeugnis nach seiner Präsentation keine darüberhinausgehende arzneiliche Wirkung in Anspruch nimmt, kommt es für die Präsentationsarzneimitteleigenschaft nicht darauf an, ob die in Anspruch genommene Eigenschaft eines solchen Lebensmittels tatsächlich vorliegt.

OLG Celle, Hinweisbeschl. v. 13.06.2022, 13 U 9/22, I.2.b

Maßgeblich für die Einordnung eines Produktes als Arzneimittel ist seine an objektive Merkmale anknüpfende überwiegende Zweckbestimmung, wie sie sich für einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsbetrachter darstellt. Die Verkehrsanschauung wird regelmäßig durch eine schon bestehende Auffassung über den Zweck vergleichbarer Mittel und deren Anwendung geprägt. Diese hängt ihrerseits davon ab, welche Verwendungsmöglichkeiten solche Mittel ihrer Art nach haben. Dabei kann die Vorstellung der Verbraucher auch durch die Auffassungen der pharmazeutischen oder medizinischen Wissenschaft beeinflusst sein, ferner durch die dem Mittel beigefügten oder in Werbeprospekten enthaltenen Indikationshinweise und Gebrauchsanweisungen sowie die Aufmachung, in der das Mittel dem Verkehr allgemein entgegentritt. Eine ausdrückliche Bezeichnung als Arzneimittel ist für die Einstufung als Präsentationsarzneimittel nicht erforderlich. Vielmehr genügt es, wenn bei einem durchschnittlich informierten Verbraucher auch nur schlüssig, aber mit Gewissheit der Eindruck entsteht, dass das Erzeugnis in Anbetracht seiner Aufmachung die betreffenden Eigenschaften haben müsse (Senat, Beschl. v. 8.5.2017, 13 U 35/17, Tz. 19, m.w.N.).

OLG Hamburg, Urt. v. 26.5.2011, 3 U 165/10, II.3.a

Dem präventiven Schutzzweck (Gesundheitsschutz) des AMG folgend ist die Zweckbestimmung allein nach objektiven Kriterien zu beurteilen und orientiert sich in erster Linie an der überwiegenden Verbrauchererwartung, die der subjektiven Zweckbestimmung durch den Hersteller vorgeht. Entscheidend ist dabei, dass das Präparat gegenüber dem Verbraucher aufgrund seiner stofflichen Zusammensetzung, seiner Aufmachung und der Art seines Vertriebes als Arzneimittel in Erscheinung tritt (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.1994; BGH NJW 2010, 2528 ff.; Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht-Kommentar, 117. Ergänzungslieferung 2011 zu § 2 AMG, Rz. 48). Ein Präparat ist also (Bestimmungs)-Arzneimittel, wenn es bei einem durchschnittlich informierten Verbraucher auch nur schlüssig, aber mit Gewissheit die Erkenntnis vermittelt, dass es Arzneimitteleigenschaften, also solche zur Heilung, Linderung oder Verhütung menschlicher Krankheiten hat und innerhalb des angesprochenen Verkehrskreises der entsprechenden Verbrauchergewohnheit folgend auch zu arzneilichen Zwecken eingesetzt werden kann. Dieser Prüfungsmaßstab gilt auch für ein grundsätzlich sowohl zu technischen als auch medizinischen Zwecken einsetzbare, also „doppelt geeignete“ Gasgemisch. Denn auch insoweit kann der innerhalb des einheitlichen Verkehrskreises angesprochene Verbraucher nur anhand der Aufmachung, seiner Darreichungsform und Verwendungsmöglichkeiten, der Liefermenge und der Lieferumstände die Zweckbestimmung des Mittels erkennen.

OLG Hamburg, Beschl. v. 22.12.2020, 3 W 38/20, B.II.2.a.cc

Maßgeblich für die Einordnung des Produkts ist seine an objektive Merkmale anknüpfende überwiegende Zweckbestimmung, wie sie sich für einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsbetrachter darstellt. Die „Bestimmung“ des Produkts, also sein Verwendungszweck, erschließt sich aus der stofflichen Zusammensetzung des Produkts, seiner Aufmachung und der Art seines Vertriebes. Mit seinem Erscheinungsbild begründet das Produkt Erwartungen und Vorstellungen über seine Zweckbestimmung oder es knüpft an eine schon bestehende Auffassung der Verbraucherkreise über den Zweck vergleichbarer Mittel und ihrer Anwendung an. Dabei kann die Vorstellung der Verbraucher auch durch die Auffassungen der pharmazeutischen oder medizinischen Wissenschaft beeinflusst sein (BVerwG, NVwZ-RR 1995, 625, 626 BGH, GRUR 2001, S. 450, 451 - Franzbranntwein; OVG Münster, PharmR 2020, 369, 372).

Für die Bewertung des Erscheinungsbildes eines Produkts sind insbesondere seine Bezeichnung, die Gestaltung von Verpackung oder Beipackzettel mit Hinweisen auf pharmazeutische Forschungen oder ärztliche Methoden oder Zeugnisse sowie die dem Hersteller zurechenbare Veröffentlichungen oder Werbung, auch im Internet, in den Blick zu nehmen. Hierbei genügt es nicht, wenn ein Produkt mit Eigenschaften präsentiert wird, die allgemein gesundheitsfördernde Wirkung haben. Vielmehr muss das Produkt heilende, krankheitsvorbeugende oder Leiden lindernde Wirkungen in Anspruch nehmen (BVerwG, NVwZ 2008, 439, Rn. 40 - OPC; BVerwG, NVwZ-RR 2007, 771, Rn. 23 - Pferdesalbe BVerwG, PharmR 2009, 397, Rn. 23 - Red Rice; OVG Münster, PharmR 2020, 369, 372).

OLG München, Urt. v. 31.1.2013, 6 U 4189/11, II.B.2.a.bb

Ein Erzeugnis im Sinne der Richtlinie 2001/83/EG wird "als Mittel zur Heilung oder zur Verhütung von menschlichen Krankheiten bezeichnet", wenn es gegebenenfalls auf dem Etikett, dem Beipackzettel oder mündlich, ausdrücklich als solches "bezeichnet" oder "empfohlen" wird. Ein Erzeugnis wird ferner stets dann "als Mittel zur Heilung oder zur Verhütung von menschlichen Krankheiten bezeichnet", wenn bei einem durchschnittlich informierten Verbraucher auch nur schlüssig, aber mit Gewissheit der Eindruck entsteht, dass dieses Erzeugnis in Anbetracht seiner Aufmachung die betreffenden Eigenschaften haben muss, wobei aber zu beachten ist, dass auch Lebensmittel der Gesunderhaltung dienen können und nicht jeder Krankheitsbezug in der Werbung die Einstufung als Präsentationsarzneimittel rechtfertigt. Insoweit ist der Einstellung eines durchschnittlich informierten Verbrauchers Rechnung zu tragen, bei dem die einem Erzeugnis gegebene Form eine besonderes Vertrauen hervorrufen kann, wie es insbesondere bei Arzneimitteln aufgrund der Garantien, die mit ihrer Herstellung und ihrer Vermarktung verbunden sind, normalerweise hervorrufen.

OLG Celle, Beschl. v. 8.5.2017, 13 U 35/17, Tz. 19

Maßgeblich für die Einordnung eines Produktes als Arzneimittel ist seine an objektive Merkmale anknüpfende überwiegende Zweckbestimmung, wie sie sich für einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsbetrachter darstellt. Die Verkehrsanschauung wird regelmäßig durch eine schon bestehende Auffassung über den Zweck vergleichbarer Mittel und deren Anwendung geprägt. Diese hängt ihrerseits davon ab, welche Verwendungsmöglichkeiten solche Mittel ihrer Art nach haben. Dabei kann die Vorstellung der Verbraucher auch durch die Auffassungen der pharmazeutischen oder medizinischen Wissenschaft beeinflusst sein, ferner durch die dem Mittel beigefügten oder in Werbeprospekten enthaltenen Indikationshinweise und Gebrauchsanweisungen sowie die Aufmachung, in der das Mittel dem Verkehr allgemein entgegentritt. Eine ausdrückliche Bezeichnung als Arzneimittel ist für die Einstufung als Präsentationsarzneimittel nicht erforderlich. Vielmehr genügt es, wenn bei einem durchschnittlich informierten Verbraucher auch nur schlüssig, aber mit Gewissheit der Eindruck entsteht, dass das Erzeugnis in Anbetracht seiner Aufmachung die betreffenden Eigenschaften haben müsse.

OVG Münster, Beschl. v. 27.4.2016, 13 A 1519/15, Tz. 5, 7

Die nötige Bestimmung zur Heilung oder Linderung oder Verhütung von Krankheiten ist gegeben, wenn das Erzeugnis entweder als ein Mittel zur Heilung oder Linderung oder Verhütung von Krankheiten ausdrücklich bezeichnet oder empfohlen wird oder aber wenn bei einem durchschnittlich informierten Verbraucher auch nur schlüssig, aber mit Gewissheit der Eindruck entsteht, dass das Erzeugnis in Anbetracht seiner Aufmachung diese Eigenschaften hat. ...

Maßgeblich für die Einordnung eines Produkts als Präsentationsarzneimittel ist damit seine an objektive Merkmale anknüpfende überwiegende Zweckbestimmung, wie sie sich für einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher darstellt. Der maßgebliche Verwendungszweck erschließt sich aus der stofflichen Zusammensetzung, der Aufmachung und der Art des Vertriebs. Mit seinem Erscheinungsbild begründet das Produkt Erwartungen und Vorstellungen über seine Zweckbestimmung oder es knüpft an eine schon bestehende Auffassung der Verbraucherkreise über den Zweck vergleichbarer Mittel und ihrer Anwendung an. Es hat demzufolge eine umfassende Berücksichtigung und Bewertung aller konkreten Merkmale zu erfolgen.

OVG Münster, Beschl. v. 27.4.2016, 13 A 1519/15, Tz. 22

Der Umstand apothekenexklusiver Vermarktung kann für die Einordnung als Arzneimittel berücksichtigt werden. Zwar werden auch Kosmetika von einigen Kosmetikherstellern exklusiv über Apotheken vermarktet, so dass die Apothekenexklusivität für die Einordnung als Arzneimittel nicht ausschlaggebend sein kann. Als eines von mehreren Indizien ist die ausschließliche Vermarktung über Apotheken als Art des Vertriebs jedoch durchaus geeignet, die Verbrauchersicht mit zu bestimmen.

OVG Münster, Beschl. v. 27.4.2016, 13 A 1519/15, Tz. 24

Die Verwendung einer Dachmarke, unter der auch ein Arzneimittel …. vertrieben wird, ist ebenfalls ein berücksichtigungsfähiger Gesichtspunkt. … Der Verbraucher misst bei Namen von Waren, die sich aus mehreren Bestandteilen zusammensetzen, dem typischerweise vorangestellten Hauptbestandteil regelmäßig besondere Bedeutung für die Art bzw. Qualität der jeweiligen Ware zu. Im Rahmen einer zusammengesetzten Bezeichnung sind die sprachliche Bedeutung und die entsprechende Wahrnehmbarkeit des Hauptbestandteils regelmäßig so herausgehoben, dass ein erheblicher Teil der Verbraucher mit diesem Bestandteil nicht allein eine produktunabhängige Werbeaussage, sondern eine produktbezogene Inhaltsangabe verbindet.